(Auszug aus Kochbuch von 1907)
Eines der wichtigsten pflanzlischen Nahrungsmittel ist das Getreide. Es gehört in die Ordnung der Gräser. Weizen (Dinkel, Einkorn), Gerste, Roggen, Hafer, Hirse, Mais gedeihen bei uns. Reis gedeiht nur im Süden.
Die ganze Pflanze, die Wurzel ausgenommen, ist verwendbar. Der Getreidesamen wird ganz, geschält, gequetscht und gemahlen als Grütze, Gries und Mehl verbraucht.
Das Samenkorn besteht aus der holzigen unverdaulichen Hülle, dem eiweisshaltigen Kleber, dem stärkemehlhaltigen Kern und dem darin enthaltenen fettreichen Keim. Beim Mahlen des Getreides wird die Hülse (Kleie) entfernt. Da mit den Hülsen viel Eiweiss verloren geht, sind gröbere Mehlerzeugnisse nahrhafter als feinere. Hafergrütze zum Beispiel ist nahrhafter als Hafermehl.
Die Kleie, welche beim Mahlen der Getreide entfernt wird, bildet ein gutes Viehfutter. Auch als Heilmittel wird sie in Form von Kleiensäckchen und Kleienbädern genommen.
Die Spreu dient zum Füllen von Streusäcken und Einlegen der Eier für den Wintervorrat, den dürren Halm nennt man Stroh, dasselbe dient zum Flechten, zum Füllen der Betten, zum Einbinden, als Schutz gegen Hitze und Kälte, als Streu, und feingeschnitten als Futter (Häcksel). Die gröberen Mahlerzeugnisse (Gerste, Reis, Gries, Hafergrütze, Grünkerne usw.) werden am besten in reinen Säckchen hängend aufbewahrt.
Erkennungszeichen guten Mehls:
- Es sieht gelblich, nicht grau aus. Die graue Farbe lässt auf Unreinlichkeit und Fälschung, die weisse Farbe auf Vermengung mit Gips schliessen.
- Wenn man es in der Hand zusammendrückt, darf es nicht zerstäuben, aber auch nicht zusammenballen, die Eindrücke müssen sichtbar sein.
- Geruch und Geschmack müssen frisch sein.
Das Mehl soll an luftigen, trockenen, nicht zu warmen Orten aufbewahrt werden. Grössere Mengen bewahrt man am besten in einem Holzkasten auf; das Mehl muss aber dann öfters umgeschaufelt werden. An feuchten Plätzen bekommt das Mehl einen dumpfen, modrigen Geschmack; an zu warmen Orten kommen gerne Mehlkäfer, Mehlwürmer, Mehlfischchen oder Milben in das Mehl.
Behandlung des Mehls in der Küche:
Durch Kochen, Rösten und Backen machen wir das Mehl, das roh genossen fade und schwer verdaulich ist, wohlschmeckender und verdaulicher.
Der Hauptbestandteil des Getreides, das Stärkemehl, wird durch Einwirkung der Hitze und des Wassers aufgequollen und dadurch löslicher gemacht. Die Speisen erhalten eine wohlschmeckende schleimige Beschaffenheit, dadurch ist die Verdauungsarbeit, die das Stärkemehl im Stärkegummi (Dextrin) und später in Zucker verwandelt, sehr erleichtert.
Geröstetes Mehl ist am verdaulichsten, gebackene Mehlspeisen sind leichter zu verdauen als gekochte.
Frisches heisses Brot dagegen ist der Gesundheit schädlich.
Körnerfrüchte:
Körnerfrüchte soll man nicht in Milch, sondern in Wasser kochen. Lange gekochte Milch ist schwer verdaulich und wertlos. Darum gebe man erst am Schluss des Kochens leicht erwärmte Milch oder Rahm an die Speise.
Alle Körnerfrüchte müssen, im Gegensatz zu Gemüse, sehr lange gekocht werden. Die Bekömmlichkeit wird durch die Quellung erreicht, was z.B. in 20 Minuten nicht möglich ist. Schleimsuppen benötigen 3 Stunden Kochzeit.
Flocken:
Neuerdings bringt man diese wertvollen verschiedenen Getreidefrüchte als Flocken in den Handel. Mit ihrer Hilfe lassen sich rasch allerlei Speisen herstellen, die besonders der Diätküche und unseren Kindern zu gute kommen. Diese Getreide-Flocken werden daher nicht gekocht. Sie sind in rohme Zustand gebrauchsfertig und sollen abwechselnd verwendet werden. Bekannt ist die Herstellung des Birchermüesli.