Entfettungskur nach Pfr. Künzle



(Auszug aus “Das grosse Kräuterbuch” von Pfarrer Künzle, Auflage von 1945)

Sowohl bei einer Mastkur wie bei einer Entfettungskur ist natürlich das Körpergewicht in regelmässigen kurzen Abständen festzustellen. Man hüte sich aber, bei jeder kleinen Abweichung von der alten Regel, der Mensch solle so viel Kilo wiegen, wie er Zentimeter über einen Meter misst, gleich an Magersucht oder Fettleibigkeit und an eine Kur zu denken. Schwankungen um etwa 5 kg nach unten oder oben können sehr wohl in der Anlage, der Konstitution, begründet sein. Der Arzt wird neben der groben Masstabelle stets auch den Knochenbau und andere individuelle Gegebenheiten in Betracht ziehen, ehe er ans Aufpolstern geht oder auf überschüssiges Fett den Angriff eröffnet.

Einmal mehr sei bei dieser Gelegenheit vor Entfettungskuren aus Modetorheit gewarnt. Jedem Menschen, jeder Konstitution ist bei ihren festen Lebensgewohnheiten eine bestimmte »Fettpolsterung« gemäss. Sie gewaltsam vermindern, ohne die entsprechenden Gewohnheiten ändern zu können, ist also ein Eingriff in einen Vorgang der natürlichen Anpassung und kann nicht ohne Schaden für Gesundheit und Wohlbefinden bleiben. Der Arzt bekommt denn auch genug Schäden als Folgen wahl- und sinnlosen Schluckens aller möglichen Zehrpillen und -tabletten oder auch abführenden Tees zu sehen.

Anders liegt der Fall bei ernstlichem Übergewicht, bei wirklicher Fettleibigkeit, die, wie die Statistiken der Lebensversicherungen beweisen, die Lebensdauer zu verkürzen droht. Sie kann auf mangelhafte Leistung von Herz und Niere – der gedunsene, aufgeschwemmte Typ – oder von Drüsen (vor allem Hirnanhang und Schilddrüse) zurückgehen, – der Typ des Fettsüchtigen, den man z.B. an Kindern mit puppenhaften Gesichtern, kleiner Nase und kleiner Hand oder auch an manchen Frauen in den Wechseljahren leicht erkennt. Aber das sind die weit selteneren Fälle; der Arzt wird hier in erster Linie das Grundleiden und erst in zweiter das Fett selbst bekämpfen.

In der Regel handelt es sich einfach um das »Käfigtier«, das zu viel und zu gut frisst und zu wenig Bewegung hat. Weniger essen und weniger Flüssigkeit! – das scheint der von der Vernunft gewiesene Weg der Abhilfe; ist es auch, aber es kommt viel auf die Art des Vorgehens an. Die ärztliche Strategie wendet je nachdem recht verschiedene Taktik an: Sie baut entweder bei gleichbleibendem Küchenzettel die Mengen schrittweise ab, oder sie entzieht fettbildende Speisen; sie schaltet Fastentage mit Zehrdiät ein oder verordnet bei ausreichender Ruhe des Körpers und des Geistes eigentliche Fastenkuren; allenfalls entzieht sie Flüssigkeit, beschleunigt wohl auch durch Abführmittel den Durchgang der Speisen oder verbindet das eine und andere dieser Verfahren. Wir haben also die Auswahl. Prüfen wir kritisch. Die Rückkehr zur Tugend besteht zunächst einmal im Unterlassen des Bösen.

Beschreiben wir zuerst die einfachste Abbaukur,

mit der ohne Kalorienrechnerei in sehr vielen Fällen schon geholfen ist. Man hat bisher in den Tag hineingelebt und hat nicht einmal eine klare Vorstellung, wie viel man eigentlich isst. Das Erste ist also, dass man eine grosse – bis zu 1 kg reichende – Briefwaage kauft und sie beim Essen neben sich stellt. Erst wird der Teller leer, dann wird jede aufgelegte Speise gewogen, auch das Brot nicht vergessen, das man sich beim Essen abschneidet. Nach ein paar Tagen geht das spielend. Die beobachteten Zahlen werden aufgeschrieben, wobei man die Entdeckung macht, dass man von den einzelnen Speisen und von Brot doch immer so ziemlich die gleiche Gewichtsmenge nimmt. Nach vierzehn Tagen wissen wir, wie viel wir von den regelmässigen Hauptspeisen: Fleisch, Teigwaren, Kartoffeln, Brot, Butter usw. essen. Vermindern wir diese Mengen allmählich, so werden wir sehr bald nicht mehr zunehmen und in kurzem soweit sein, dass wir langsam aber sicher abnehmen. Das Körpergewicht überwachen wir wie gesagt ständig. Soweit steht also die Menge im Vordergrund; man wird gleichwohl fette und süsse Speisen (s. o.) am meisten einschränken.

Erleichtert wird die Entfettung durch langsames Essen und gründliches Kauen, weil sich dabei früher Sättigungsgefühl einstellt.

Ein anderer Weg, Fett loszuwerden, ist, weniger die Menge als den Verdauungswert der Nahrung, ihren Kaloriengehalt, herabzusetzen.

Die Zahl der Diätvorschriften, die darauf fussen, ist Legion. Die Kalorienrechnung des Laien ist immer bedenklich, und der Mensch lebt nicht von Kalorien allein, sondern gerade während einer Entfettungskur ist auf genügend Eiweiss und Vitamine Wert zu legen. Die Kalorienzahl ist auf Kosten des Fettes und der Stärkestoffe (Kohlehydrat) zu beschränken.

Geben wir immerhin einen Tagesstandard für eine solche Entfettungskost an, der sich auf der europäischen Durchschnittsernährung aufbaut. Erlaubt sind täglich:
300 g mageres Fleisch, zubereitet gewogen, von Rind, Kalb oder Wild,
300 g Gemüse,
300 g Obst,
zwei Semmeln zu je 20 g,
20-30 g Fett und
2-4 g Salz zur Würze der Speisen;
die Flüssigkeiten schränkt man ein,
grüner Salat, Tomaten, Gurken und Radieschen sind nach Belieben frei.
Diese Diät bietet etwa 1060 Kalorien.

Als gleichwertig können gelten:
100 g Fleisch = 45 g Wurst oder Käse = 2 Eier == 110 g Fisch;
eine Semmel = 40 g Schwarzbrot = 45 g Grahambrot = 30 g Mehl, Reis oder Griess;
200 g Obst = 120 g Kartoffeln = 150 g Milch.

Je nach Alter, Beruf, Neigungen des einzelnen wird man zu einem solchen Standard kleine Zulagen gestatten, bis die Gewöhnung erreicht ist.

Der verhältnismässig reichliche Eiweissgehalt (85 g), auf dessen Bedeutung die Erfahrungen bei Hungerkuren (s. u.) nachdrücklich hinweisen, schadet auch bei hohem Blutdruck nicht; der Druck sinkt oft noch früher als das Körpergewicht. Auch regt Eiweiss die Tätigkeit der Schilddrüse an, was zur Abmagerung mithilft.

Dicke Menschen haben einen erhöhten Wasserverbrauch; ihr Durst ist aber nicht Ursache, sondern Folge. Allerdings scheinen die Gewebe gern Fett und Wasser gleichzeitig zu speichern, sodass eine gewisse Zurückhaltung im Trinken und Suppenessen eine Entfettungskur nur unterstützen kann.

Will oder muss man sie (die Fettleibigkeit) mit schnellem Erfolg bekämpfen, so wird man mit Vorsicht und unter ständiger ärztlicher Aufsicht eine Fastenkur, u. U. eine Hungerkur wagen.

Aber ein grundlegender Unterschied gegenüber den einfachen Diätkuren wie wir sie beschrieben haben, muss von vornherein eingeschärft werden: hier tut gleichzeitig Bewegung not, während Hungerkuren (in der Regel auch Entwässerungskuren), ja schon einzelne Fastentage (einer oder zwei in der Woche) körperliches und geistiges Ausspannen verlangen.
Wandern, kräftige Muskelarbeit in Sport oder Gymnastik sollte jede Entfettungskur unterstützen, die nicht Schonung auferlegt. (Passiven Naturen sei Massage empfohlen.)

Die Wechselwirkung mit der Ernährung hat eine günstige und eine schwierige Seite: je mehr das Fett schmilzt, desto leichter und freudiger wird die körperliche Anstrengung; und je kräftiger die Muskelarbeit, desto mehr entwickelt sich der Appetit. Man soll ihn dann ruhig befriedigen, nur nicht mit fettmachenden Speisen. Darum niemals eine zu starre Diät.


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