Die Kartoffel im Krieg

Die Kartoffel – das zweite Brot

Zitat aus dem Vorwort der dritten Auflage von “150 x Kartoffeln”, herausgegeben im April 1941 im Selbstverlag der Propagandazentrale für Erzeugnisse der schweizerischen Landwirtschaft, Zürich:

…. Viel wichtiger und wertvoller scheint uns aber die sicher zutreffende Folgerung, dass zweifellos ein grosser Teil der Konsumenten erkannt hat, dass die heutige Versorgungslage des Landes eine grössere Wertschätzung der Kartoffel als Nahrungsmittel verlangt.

Noch vor nicht sehr langer Zeit war ein gewisses Vorurteil gegen die Kartoffel ziemlich weit verbreitet, indem man ihr wenig Nährwert beimass. Dem gegenüber sei einmal mehr betont, dass die Kartoffeln ein hochwertiges und dazu ausserordentlich billiges Nahrungsmittel sind. Nicht nur der hohe Stärkegehalt, sondern das, wenn auch in kleineren Mengen vorhandene Eiweiss, berechtigen zu dieser Feststellung, weil dieses im Gegensatz zu Eiweiss anderer pflanzlicher Herkunft biologisch sehr hochwertig ist. Dazu kommen erst noch die neuesten Forschungsergebnisse bekannter Ärzte, Biologen und Hygieniker, die den gesundheitlichen Wert der Kartoffeln ins richtige Licht gerückt haben. Er beruht auf dem hohen Gehalt an Vitamin C und an Mineralstoffen, namentlich Eisen und Kali. Die Kartoffeln sind der wichtigste Vitamin C-Träger in unserer Nahrung.

Aber noch von einem andern Gesichtspunkte aus betrachtet ist ein vermehrter Kartoffelkonsum in der Ernährungsumstellung und Anpassung an die heutige Versorgungslage eine zwingende Forderung. Der Kartoffelbau liefert uns nämlich pro Flächeneinheit die zwei—dreifache Calorienmenge gegenüber Getreide und 6-7 mal mehr als beispielsweise bei der Milchproduktion erzeugt werden. In diesen Zahlenverhältnissen liegen übrigens auch die gewaltigen Anstrengungen für den Mehranbau begründet. Dazu nimmt die Kartoffel ebenfalls produktionstechnisch (Fruchtwechsel) eine wichtige Stellung ein.

Der Kartoffelverbrauch konnte bis jetzt mit durchschnittlich 80-90 kg pro Person und Jahr angenommen werden, während z. B. Deutschland einen solchen von 200 kg aufweist. Die schweizerische Landwirtschaft ist auch ohne weiteres in der Lage einen Bedarf von z. B. 150 kg pro Person und Jahr bereit zu stellen, und es entspricht einer selbstverständlichen Pflicht, an Stelle der rationierten und kaum mehr erhältlichen Lebensmittel, die Kartoffel auf dem Speisezettel öfter als bisher aufzuführen. Die Kartoffel wird, wenn wir die in gedrängter Form zusammengefassten Gründe in Betracht ziehen, mit Recht als das zweite Brot bezeichnet.

Kartoffeln als Zugabe beim Brotbacken
1/5 des Mehles kann ersetzt werden durch gesottene, durchgestrichene Kartoffeln. Es ist nicht einmal notwendig, dass die Kartoffeln für die Beimischung zum Brotmehl geschält werden, dagegen muss man sie selbstverständlich vor dem Sieden gründlich waschen.

Die Kartoffel wird zum Volksnahrungsmittel:

“150 x Kartoffeln” ist heute bereits ein Schlagwort geworden. … In knapp einem halben Jahre war auch die dritte Auflage, die seinerzeit in vermehrtem Masse den kriegswirtschaftlichen Verhältnissen angepasst worden ist, ausverkauft.
Da unterdessen das Problem der Nahrungsmittelversorgung unseres Landes noch schwieriger geworden ist, — es sei nur auf den Einbezug Russlands und einiger Balkanstaaten in die Kriegswirren hingewiesen —, kommt der Kartoffel als menschliches Nahrungsmittel eine immer grössere Bedeutung zu. Sie wird je länger desto mehr zum eigentlichen Volksnahrungsmittel.

Wir haben auch die Frage geprüft, ob nicht die vorliegende Auflage eine noch weitergehende Anpassung der Rezepte bezüglich Zutaten (besonders Fett) hätte vorgenommen werden sollen. Die Überlegung, dass es jeder Hausfrau, Köchin und jedem Küchenchef ohne weiteres möglich sein wird, sich gestützt auf die allgemeinen Hinweise, bei der Zubereitung von Kartoffelgerichten der Fett- und Butterknappheit anzupassen, hat uns veranlasst, vorläufig von einer Neubearbeitung abzusehen.


Auszug aus den “Allgemein gültigen Regeln für das Zubereiten der Kartoffelgerichte”:

1. Die Kartoffeln sollen soviel als möglich in der Schale gekocht (Schalenkartoffeln) und als Geschwellte für Rösti, Kartoffelstock, Salat, Küchlein, etc. verwendet werden. Die Haut lässt sich so viel dünner abziehen. Der Unterschied an Abfall beim Schälen der geschwellten gegenüber beim Schälen der rohen Kartoffeln beträgt 4-6 %. Beim gesamtschweizerischen Konsum von 40 000 Wagenladungen entspricht dies 1600-2400 Wagenladungen à 10 Tonnen mehr oder weniger Abgang. Dazu erspart man sich Zeit.

2. Die Schalenkartoffeln sollen nicht in viel Wasser gekocht werden, weil dadurch wertvolle Bestandteile, wie namentlich die Mineralsalze, ausgelaugt werden, sondern man dämpfe die Kartoffeln, indem man ein Drahtgitterchen oder ein Sieb in die Pfanne oder in den Kochtopf stellt und nur wenig Wasser beigibt.

3. Beim Schälen roher Kartoffeln muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass es möglichst wenig Abfall gibt. Am besten werden dazu spezielle Schälmesser verwendet. Diese müssen aus rostfreiem Stahl bestehen, weil sonst das Vitamin C geschädigt wird. Zudem sind die wertvollsten Bestandteile, wie Nährsalze und Vitamine besonders reichlich direkt unter der Kartoffelhaut. Neue Kartoffeln sollen nur geschabt werden. Man bedenke, dass beim Schälen roher Kartoffeln 8-15 % Abgang entsteht, was mehreren Tausend Wagenladungen à 10 Tonnen entspricht.

… Das Wasser der Schalenkartoffeln ist ein vorzügliches, laugiges Reinigungsmittel für Glaswaren und Geschirr.

Kartoffelzubereitung bei Butterknappheit

… geben wir nachstehend einige allgemein gültige Hinweise, an die man sich bei Fett- und Butterknappheit halten kann.

1. Rahm statt Butter. In den meisten Fällen, hauptsächlich für weiche Kartoffelmassen (Auflauf, Pudding, Spätzli etc.) kann statt Butter Rahm verwendet werden. Man rechnet an Stelle von 10 g Butter 1 Löffel Rahm. Der Rahm darf dick und säuerlich sein, so dass er von der täglichen Haushaltungsmilch zusammengespart werden kann. Einzig für fettgebackene, weiche Kartoffelmassen wie Croquetten, Knödel etc. darf der Rahm nur 1-2 Tage alt sein. Da der saure Rahm den Teig treibt, würde letzterer auseinanderfahren und dabei viel Fett oder Flüssigkeit schlucken.

2. Schaumig gerührtes Fett an Stelle von frischer Butter. Gewisse Kartoffelgerichte benötigen flüssige oder schaumig gerührte Butter (Torten, Würstchen, Pudding etc.), Um frische Butter zu sparen, kann man Fett verwenden. Hartes Fett wird dazu flüssig gemacht, wieder halb erstarren gelassen, mit 1/4 Milch vermischt und schaumig gerührt. (4 Löffel Fett, 1 Löffel Milch.) Die zugefügte Milch soll die Buttermilch ersetzen, die in der frischen Butter enthalten ist und durch das Auskochen entzogen wird. Die gleiche Zubereitungsart gilt, wenn statt Fett ausgekochte Butter verwendet wird.

3. Im Ofen backen oder braten statt schwimmend oder in reichlich Fett in der Pfanne. Kartoffelgerichte, die sonst schwimmend oder in reichlich Fett in der Omelettenpfanne gebacken werden, können, um Fett zu sparen, auch im Ofen zubereitet werden. Küchlein, Croquetten, Nestchen etc. werden fertig geformt auf das gefettete Blech oder den Rost gestellt, mit wenig Fett oder 01 bestrichen oder beträufelt und gebacken. Auf die gleiche Art werden rohe Kartoffelgerichte wie Pommes frites, Strohkartoffeln, Würfel etc. im Ofen zubereitet. Man stellt sie in den gut heissen Ofen, damit sie nicht braun werden. Blech oder Rost werden leicht gefettet, die Kartoffeln mit Fett beträufelt und die Ofentüre bei Dampfbildung kurze Zeit offen gelassen, damit die Kartoffeln knusprig werden. Nach der halben Bratzeit streut man das feine Salz über die Kartoffeln.

4. Rösti verlangt weniger Fett oder Butter, wenn ziemlich viel sehr fein gehackte Zwiebeln zugegeben werden. Sie soll ferner auf ganz kleinem Feuer gebraten werden. Nach der halben Bratzeit können einige Löffel Milch, Rahm oder auch etwas Wasser zugegeben werden.

5. Kartoffelsuppen und gedämpfte Gerichte kann man mit sehr wenig Fett zubereiten, um dieses eher zur Verfügung zu haben für Gebratenes und Gebackenes. Eine Speckschwarte oder ein Knochen, die einige Male mitgekocht werden können, leisten hier gute Dienste.

6. Geriebene Teige können auch mit Fett (Quark, Schweinefett, Kokosfett oder Fett mit Butter gemischt) statt mit reiner Butter zubereitet werden. Hartes Fett wird vor dem Reiben mit Kartoffeln und Mehl geraffelt, damit es sich im Teig fein verteilen lässt.

7. Kartoffelsalate. Hier lässt sich das 01 zur Hälfte oder ganz ersetzen durch Fleischbrühe und einige Löffel Haushaltungsrahm.

8. Gratinierte Kartoffelgerichte wie Auflauf, Kartoffeln nach Freiburgerart etc. werden statt mit Butter, mit wenig Fett, 01 oder je nach Bedürfnis mit einigen Löffeln Haushaltungsrahm bestrichen.