Most

Anlässlich der Recherche zu Doazmol Band 6 über die Berggänger damals im Alpstein, entdeckte ich folgende Beschreibung zu den Herstellweisen vonMost in “Beschreibung der schweizerischen Alpen- und Landwirthschaft”. Johann Rudolf Steinmüller, Steinerische Buchhandlung Winterthur, 1804):

Der Gebrauch des Aepfel- oder Birnenmosts ist in den St. Galler Gegenden sehr alt. Der berühmte alte Geschichtsschreiber Stumpf giebt uns [1586] darüber schon folgende Nachricht: „darzu wirt an vielen Orten diss Lands wunderli Tranks aus Oepflen und Biren gemostet, glych wie in Norrmandy…“ Diesem zufolge wäre also das Thurgau schon in den ältesten Zeiten das eigentliche Most- und Obstland gewesen, und es behauptet diesen Rang bis auf die gegenwärtigen Zeiten. Obwohl im St. Gallischen überhaupt, und namentlich im Rheinthal, wie auch im Appenzellerlande, in unsern Zeiten immer mehr Most verfertiget und getrunken wird, so ist das Maass desselben in diesen Gegenden, gegen demjenigen so man im Thurgau macht, äusserst gering, indem man sich daselbst des Mostes nicht nur zum gemeinen Getränke bedienet, sondern besonders im obern Thurgau sowohl mit Obst als mit Most einen sehr beträchtlichen Handel in andere Kantone treibt. Ueberall im Thurgau sind die Aecker, Wiesen und Gemeinweiden mit einer Menge Obstbäumen besetzt, und der alljährliche Ertrag derselben würde zusammen ungeheuer grosse Summen ausmachen.

Alle Wochen im Herbst wird daher eine Menge Obst aus dem Thurgau nach St. Gallen auf die zwey Wochenmärkte gebracht, und hält man alle Jahr im September einen ausserordentlichen Obstmarkt in Rorschach, wohin eine zahllose Menge Mostobst aus dem obern und untern Thurgau, aus Ueberlingen u.s.w. hergebracht, und von den Bewohnern der Kantone St. Gallen und Appenzell, nach dem Maass einer Lädi aufgekauft wird. – Unter einer Lädi Obst werden nämlich ungefähr 4 Viertel, oder zweimal 90 Pfund verstanden. Nach Maassgab der mehr oder minder fruchtbaren Jahrgänge kostet eine Lädi Bergbirnen u. dgl. 3, 4, 5, bis 8 Gulden. Neben dem kauft man in den gleichen Gegenden ungeheuer viel schon zubereiteten Thurgauer Most, und befindet sich dabey immer besser, weil man alsdann vielmehr einer vorzüglich guten Mostart versichert seyn kann, als wenn man ihn selbst macht, wo er nicht selten fehlschlägt.

Mostobst
In den Kantonen St. Gallen und Appenzell, so wie im Thurgau, werden immer mehr Birnen als Aepfel vermostet, doch wird der Birnenmost, wenn er einiger Maasen dauerhaft seyn soll, immer mit mehr oder minder Aepfelsaft vermischt. Die besten Mostbirnen sind herbe am Geschmack, lassen sich nicht lange frisch aufbehalten, weil sie einschrumpfen oder bald taig und faul werden; dergleichen sind die Wein- Friesli- Strick- Berg- Schuzen- Wasser- Wäglenbirnen u. dgl. Mit den Birnen kann man schlechtere und bessere saure Aepfel vermengen, ja alles Obst, das von selbst von den Bäumen gefallen, und zum Aufbewahren zu schlecht ist; ja man bemerkt sogar, dass der Most von gemengten Obstarten besser zu werden pflege, als der von einzelnen, und fehlt dann diesem öfters die helle gelbe Farbe.

Das gute Mostobst muss jederzeit frisch, gar nicht taig und vorzüglich auch nicht faul seyn; von faulem Obst bekömmt das Getränk einen äusserst widrigen und unangenehmen Geschmack. Beim Einsammeln desselben bedarf es nicht die Sorgfalt, die bey dem Obst, das man aufbewahren will, muss beobachtet werden. Man kann dasselbe von dem Baum schütteln, oder mit Ruthen oder dürren Stangen abschlagen, wodurch dem Landmann viel Zeit und Mühe erspart wird; einzig man muss dabey darauf sehen, dass man kein Laub oder kleine Aeste mit dem Obst vermenge.

Was die Farbe des Mostes anbetrift, so wird einiger lauter (gelb) und andere trübe (grau) und man behauptet: dies könne im gleichen Keller von gleichem Obst geschehen, auch sey die Ursache davon wie man sagt, oft sehr schwer zu ergründen. Aber der Most von einigen Obstarten werde unter mancherley Umständen gelb, und bleibt es z.B. von den Bergbirnen. Zum grauen Most zählt man hingegen die Kriesibirnen; werden diese ganz frisch von den Bäumen sogleich gemostet, so wird der Most sicher grau; haben sie aber zuerst etwas Zeit gelegen, bis sie halb taig wurden, so kann er bisweilen auch gelb werden. Es gibt bisweilen Most, besonders bey der grauen Art, der bricht, d.h. so bekömmt er eine graubraune oder schwärzliche sehr unansehnliche Farbe.

Der Bergbirnenmost wird nicht nur gelb sondern sehr süsslicht, aber etwas herbe auf der Zunge, auch hält er sich nicht gerne ein Jahr lang, sondern wird im Sommer öfters ekelig. Wer ihn lange aufbehalten will, schüttet ganz neu, auf den Saum (d.h. 2 Eymer) ¼ Maass Kirschenwasser ins Fass, wovon er besonders lieblich wird, und auf Jahre hinaus haltbar bleibt.

Der Most von Weinbirnen ist sehr dauerhaft, und im Rheintal hält man daher eine Mischung von Berg- und Weinbirnen mit einem Theil Aepfel für sehr vortheilhaft.

Die Länglerbirnen geben auch einen gelben und dauerhaften Most, und vorzüglich liebt man denselben von diesen und den Bergbirnen im Appenzellerlande, und behauptet: dass er hauptsächlich je älter so besser werde.

Am dauerhaftesten ist derjenige Most, der mit Holzäpfeln vermischt wird. Diese hier übliche Vermischung ist besonders bey dem süssesten Birnensaft am allerwohlthätigsten, denn je süsser und saftiger eine Birne ist, desto weniger haltbar wird der daraus zubereitete unvermischte Most seyn.

Aepfelmost von puren Aepfeln wird bey uns nicht viel, ausgenommen in sehr obstreichen Jahren, gemacht. Von Aepfeln bekommt man ungefähr ein Drittheil weniger Saft als von den Birnen, auch wird der Most immer etwas saurer, aber dauerhafter als der Birnenmost-.

Bisweilen macht man vorzüglich auch im Appenzellerlande von pur Märken- oder Holzäpfeln Most, der dann mit gar keinem Wasser vermischt wird. Er muss wenigstens 2 Jahre lang im Fass verspundet bleiben, ehe er trinkbar wird; aber dann ist er ein sehr berauschendes Getränk. Einige lassen einen Theil neuen weissen Wein mitgähren, und hängen ein Säcklein voll von Hollunderblüthe ins Fass, und er bekömmt davon in der Folge einen Geschmack, wie ein fremder Wein.

Wird unter den Aepfel- oder Birnenmost kein Wasser geschüttet, so nennt man dieses Getränk G’saft. Es schmeckt recht gut und ist ziemlich stark und berauschend, muss aber in dem ersten Winter weggetrunken werden, indem dieser Most gleich, sobald die Sommerhitze eintritt, in Essig übergeht. (Wenn das Obst sehr schlecht, der Wein aber auch nur mittelmässig gerathen ist, wie z.B. 1803, so macht man öfters zum Hausgebrauch und zum verwirthen Weinmost; dies ist nämlich ein Getränk aus weissem Wein, den man neu, ehe er zu gähren angefangen hat, ungefähr mit dem dritten Theil Brunnenwasser vermischt hat)

Der Rheintaler Most ist nach den allgemeinen Beobachtungen im Durchschnitte immer um ein merkliches schlechter als der Thurgauer. Der meiste davon hat einen etwas widrigen Geschmack auf der Zunge, den der Appenzeller dadurch ausdrückt: „der Rintler Most ist halt a mehrst Sauschöttelig!“ – Sachkundige schreiben diesen Fehler einerseits der Ursache zu, dass man das Mostobst im Rheintal nicht frisch, sondern erst, wenn es einige Zeit gelegen ist, und zum Theil anzufaulen beginnt, zermalme und auspresse; und anderseits weil sie das Wasser, das man an den Trester schüttet, und womit man den Obstsaft vermischt, allzulange an demselben stehen lassen, ehe sie es auspressen, das daher einen säuerlichen widrigen Geschmack bekomme, und das ganze verderbe. Auch Mangel an genugsamer Reinlichkeit bey der Verfertigung des Mosts mag vielleicht hin und wieder ein Grund des unangenehmen Geschmacks oder der schlechten Farbe desselben seyn.

Herstellung
Von einer Lädi Birnen erhält man gewöhnlich einen Eymer (32 Maass) Saft, und dieser wird mit der Hälfte Wasser vermischt. Die Vermischung des Wassers mit dem Saft geschiehet am besten auf folgende Art: wenn das Obst schon ausgepresst ist, so wird dasselbe Trester oder Trestel genannt; dieser wird von dem Druckbett genommen und in einer Stande mit Wasser übergossen, etwa 24 Stunden lang stehen gelassen, und dann entweder noch einmahl gestampfet, oder gerade so auf das Druckbett gebracht und wieder ausgepresst. Diesen Saft nennt man das Glör, mit welchem der Saft um ein Drittheil oder höchstens zur Hälfte vermischt wird, wenn der Most nicht schlecht werden soll.

Von einer ganz andern Art ist der sogenannte Schnitzlimost; es werden nämlich gedörrte Holzäpfelschnitze in ein Fass gethan, und mit siedendem Wasser übergossen und verspundet, worauf die ganze Masse in Gährung überzugehen anfängt; sobald man dies merkt, muss er sogleich weggetrunken werden, oder er steht ab. Allein, wenn dieser Most am besten ist, so ist er doch ein erbärmliches Getränk, welchem einige Leute, die sonst keine Wassertrinker sind, das gute Quellwasser doch noch vorziehen.

Der gesottene Most ist eine Art Rosoli. Man nimmt dazu den puren Saft von Birnen oder Aepfeln, lässt den ersten um die Hälfte, den Apfelsaft um den dritten Theil in einem offenen Hafen oder Kessel vorsichtig, dass er nirgends anbrenne, einkochen, schüttet ihn, wenn er kalt werden will, in ein Fässchen, an welchem wohl ein Jahr lang der Spund nicht vest eingeschlagen werden muss; sobald er ganz hell ist, wird er in ein anderes gutes Fass von der Hefe abgezogen und aufbehalten; will er in Jahresfrist sich nicht läutern, oder ganz helle werden, so ist wenig Hoffnung, dass er es je werde, doch versucht man, ihm durch öfters Ablassen von der Hefe in ein anderes Gefäss nachzuhelfen. Bisweilen vermischt man ihn auch noch mit etwas Gewürz und Zucker.

Most, der sauer und zu Essig geworden ist, hat als solcher einen kleinen Werth, und man destillirt dann gewöhnlich noch Brandtewein daraus, wobey aber der Gewinn sehr klein ist.

Auch aus dem Trester wird ziemlich viel Brandtenwein (Weingeist) gebrannt, und in jedem Falle wird der Trester im Rheinthal als Futterungsmittel, seltener für das Rindvieh … meistens aber als Schweinefutter benutzt. Man siedet denselben gewöhnlich zuerst weich und schüttet ihn in Fässer oder Standen, worin man ihn etliche Monate lange stehen lässt, ehe man ihn benutzt. – wo man solche besitzt, da giesst man Schotten (Molke) daran, um die Gärung desto besser und schneller zu befördern. Man vermischt sowohl für das Rindvieh als für die Schweine mit anderem Futter. Erstere bekommen von unvermischtem gefressenem Trester stumpfe Zähne.

Das Zermalmen
Zur Zubereitung des Mostes wird erfodert, dass das Obst wohl zermalmet, hernach auf einer Trotte wohl ausgedruckt und der Most alsdann in gute Fässer geschüttet, und in kühlen Kellern aufbehalten werde.

Das Zermalmen des Obstes geschieht auf verschiedene Weise. Entweder bedient man sich dazu grosser ausgehöhlter eichener Tröge mit hölzernen Stösseln, die von hartem Holz verfertiget, und unten dick und schwer sind. In unsern Gegenden ist kein Stössel mit Eisen beschlagen, wie z.B. im Kanton Zürich. Diese Art das Obst zu zerquetschen ist freylich die einfachste und mühesamste, aber auch die, bey der das Obst am besten ausgenutzt werden kann.
Andere bedienen sich der Reibsteine, wo ein kegelförmiger Stein auf einem harten runden Bett, das mit einem wenigstens einen Fuss hohen Bord eingefasst ist, entweder von einem Mann oder einem Pferd herumgetrieben wird; allein bey diesen Steinmühlen stösst der Stein das Obst vor sich her, sobald es zerquetscht ist, und fährt nicht mehr darüber hin.
Die beste Art von Obstmühlen oder Reibmühlen, die im St. Gallischen überall bekannt sind, besteht aus 2 Walzen, von hartem Holz oder Steinen, welche durch ein Triebwerk gegen einander herum getrieben werden. Man hat diese in einem Gehäuse eingefasst, in dessen obern Theil ein Trichter das Obst nach und nach auf die Walzen fallen lässt, und der untere das zermalmte auffasst. Unter dem Trichter ist ein Messer oder Hobel angebracht, welcher bey dem Umdrehen der Walzen zugleich hin und her geschoben wird, ehe es auf die Walzen fallet. Auch sind an den äussern Seiten der Walzen Streicheisen angebracht, dass anklebende zermalmte Obst wegzustreichen, weil dadurch der zermalmen erschwert wird.

Auf diese Weise wird das Obst mit leichter Mühe in einen fletschigten Taig verwandelt, wodurch es zum Ausdrucken des Saftes tüchtig wird. Hier wird der fleischigte Theil sobald möglich auf das Trottbrett einer Weintrotte oder einer eigenen Obstpresse gebracht, gepresst, und der Saft in die Fässer gethan, welche Eile, nebst Weglassung eines Haarsiebs oder Flanellensacks, wodurch eigenthlich der Saft noch zuers t ablaufen sollte, und wovon man hier nichts weiss, oft eine Mitursache der grauen Farbe des Mostes seyn mag.

Sehr gut ist es, wenn man auf den zermalmten Taig etwas Wasser schüttet, weil ihn dies mehr auflöst, und der Saft besser herausgepresst werden kann.

Fässer
Der so zubereitete Most wird in dürren oder neuen Mostfässern aufbehalten, nachdem man zuerst eine Wachholderbäuche darein gemacht, das will sagen, nachdem sie vorher durch siedendes Wasser, worin Wachholderzweige und Beeren gesotten wurden, ausgelaugt worden sind. Von guten ausgetrockneten (nicht weingrünen) Weinfässern bekommt der Most einen desto bessern Geschmack, jedoch müssen sie nicht viel Weinstein haben, indem der Most denselben auflöset, und dann davon trübe wird.

Gärung – genugsam und nicht genugsam
Der Gährung halber ist nichts anders zu beobachten, als dass man wohl 6 Monate die Spunden nicht vest einschlage. Der Most gähret langsam, und würde, frühe verschlagen, öfters das Fass zersprengen. Er unterscheidet sich auch wirklich von einander in Ansehung seines Geschmackes und seiner Güte, je nachdem man ihn in den Fässern genugsam gähren lässt oder nicht; nicht genugsam gegohrnen Most hat einen süssen angenehmen Geschmack, brauset in den Gläsern (er chrällelet), verursacht aber Blähungen, Bangigkeiten und Durchfälle. Völlig gegohrener Most hingegen hat einen bittern oder weniger weinigten und geistigen Geschmack, und ist viel gesunder und nahrhafter und also dem andern im Gebrauche weit vorzuziehen.
Der Most muss überhaupt in guten Kellern aufbewahrt, und gegen allzugrosse Kälte geschützt werden, welche letztere ihm sonst die helle Farbe raubt.

Der Most wird in unsern Gegenden nirgends, und auch im Thurgau nicht, von seiner Hefe abgezogen. Auch wenn man ihn in entfernte Gegenden abführt, so gehen die ganz angefüllten und stark zugeschlagenen Fässer mit der Hefe ab. Er erhält sich am besten in grossen Fässern, und leidet in denselben durch das Zugiessen des Wassers viel weniger an Stärke, als wenn er in kleinen Fässern aufbewahrt wird. Beim Gebrauch muss man aber das Zapfenloch in der Mitte oder noch höher machen, und zuerst den Most oben im Fass ablaufen lassen, und alsdann, wenn er bis dorthin verbraucht ist, und man das Fass weiter unten anzapft, erhält man wieder eben so guten und frischen Most, als wenn er in einem eigenen bisher zugeschlagenen Fasse aufbewahrt worden wäre. Die Fässer werden, wie ich oben bemerkte, ganz angefüllt, so weit nämlich, dass man mit den Fingern den Saft durch das Spundloch erreichen kann, damit beym Gähren nicht zu viel Geist verlohren gehe. Zu noch nicht gegohrnem Moste darf man keinen andern schütten, und man muss daher sehen: dass man ein Fass in 4 bis 6 Tagen zufülle; hingegen kann man von dem gegohrnen Moste mit Vortheil in solche kleine Fässer abziehen, in welchem sich noch gute Mosthefe, ungefähr von gleicher Art, wie derjenige in dem Fasse, woraus man Most ablaufen lässt, befindet. Es ist auch diese Uebergiessung auf eine gute Hefe beynahe das einzige bekannte Mittel, einem Most, der abstehen will, wieder aufzuhelfen.
In mittelmässig guten Obstjahren wird bey uns ein Zentner Mostobst und ein Eymer Thurgauer Most, ungefähr um den gleichen Preis, nämlich um 2 bis 3 Gulden, verkauft.